Samstag. Dezember.

Ich sitze in meinem aufgeheizten Wohnzimmer, während draußen jemand motiviert das harte Eis von seiner Windschutzscheibe kratzt. In knappen zwei Wochen ist schon wieder Weihnachten. Mir selbst fehlt bisher jegliche Weihnachtsstimmung, sowie die passenden Geschenke. Also, bevor ich mich in meiner kommenden Urlaubswoche hektisch ins Getümmel stürze, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen und mich über die Menschheit aufzuregen, will ich dieses Wochenende noch etwas produktives auf die Beine stellen. Also sitze ich wieder ein mal vor dem Manuskript meines Buches.

Das Grundmanuskript des Buches habe ich bereits vor über zwei Monaten abgeschlossen, so dass ich zwischenzeitlich meine zehn Testleser und Testleserinnen ins Boot geholt habe und ihnen das Manuskript zukommen ließ. Mir war bei der Sache nicht ganz wohl, da es ja schließlich ein sehr persönliches Buch ist und ich fast zwei Jahre meines Herzblutes darin investiert habe. Aber ich tat es. Ich schickte die Mail mit dem Manuskript ab und harrte der Rückmeldungen. Manche sind bereits eingetroffen, so dass ich letzte Woche mit den Korrekturen meines Manuskriptes begonnen habe.

Dies ist nun allerdings auch der Punkt, an dem meine Depression sich wieder blicken lässt. Auch wenn es mir momentan ziemlich gut geht, wie behaupten würde, so spüre ich, wie die Depression geduldig im Hintergrund lauert und wieder nur darauf wartet, mich anzusticheln.

Für eine an Depressionen erkrankte Person, sind persönliche Fehler schwierig auszuhalten und man wirft sie sich schnell und ausgiebig vor. Fast so, als würde man es genießen, die eigenen Fehler vorgehalten zu bekommen. Und bei einer Korrekturlesung geht es paradoxerweise doch um genau dieses. Die Fehler, die man im Manuskript gemacht und übersehen hat, anzumerken und auszubessern. Und genau hier setzt alles wieder ein.

„Wieder ein Komma übersehen. Ganz toll. Egal, ausbessern und weiterscrollen. Oh, Rechtschreibfehler. Super, als wäre ich nicht in der Schule gewesen und wüsste nicht, wie man das Wort „sodass“ schreibt. Großartige Leistung, Herr Autor. Naja, weiter im Text. Oh, ein doppeltes „es ist“. „Es ist es ist“ – was ist denn so wichtig, dass mir das doppelte Lottchen nicht aufgefallen ist? Was, wenn das jemand lesen würde, weil ich zu viele Fehler gemacht habe? Das Ganze ist doch jetzt schon zum Scheitern verurteilt.“

Ich weiß in der logischen Ecke meines Gehirns, dass diese Gedanken Schwachsinn sind. Denn eine Korrektur ist ja genau dazu da, da jeder Mensch Fehler macht. Und wenn es um persönliche Themen geht, vielleicht noch mehr, als sonst. Weil man abgelenkt und zu sehr im Thema ist und sich nicht noch auf korrekte Kommasetzung oder Grammatik konzentrieren kann. Dennoch flackert in mir immer eine kleine helle Flamme des Versagens auf, wenn ich im korrigierten Manuskript eine hellgelbe Anmerkung sehe. Fehler auszuhalten und diese einfach zu verbessern sind ein gutes Training für den Alltag. Zu Fehlern sollte man stehen und ihnen nicht aus dem Weg gehen. Missgeschicke sollten belächelt und nicht als peinlich gewertet werden. Oder im schlimmsten Fall als Abwertung der eigenen Person. Wenn man sich diesen Gedanken bewusst macht, wird es zwar nicht besser, da die Flamme weiterhin aufflackert, aber ich komme manchmal schneller darüber hinweg. Manchmal. Nicht immer. Das wäre auch zu viel verlangt.

Nun setze ich mich also an die Korrekturfassung meines dritten Testlesers und halte weiterhin meine Fehler aus. Vielleicht sind manche ja bereits ausgemerzt und es wird gar nicht so schlimm. Vielleicht lege ich das korrigierte Manuskript auch nach zehn Seiten beiseite und gehe den Fehlern für heute aus dem Weg. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.